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Es gibt da diese eine Frage. Nein, ich meine heute nicht „Sind das Zwillinge?“! Ich meine diese Frage, die man sich selbst zuweilen stellt. Gerne an Abenden, an denen die Kinder endlich im Bett liegen und schlafen, nachdem sie wie ein Sturmtief über Wohnung und elterliches Gemüt hinweggetobt sind. Nachdem die Antwort auf alles – sogar auch auf jede nicht gestellte Frage – einfach nur ein gebrülltes „NEIN“ war.
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Nachdem das Essen mal wieder tief, dafür die brüderlichen Fäuste aber um so höher flogen. Nachdem ein Kind schon wieder damit anfing, sich auszuziehen, während ich noch damit beschäftigt war, das zweite überhaupt anzuziehen. Nachdem es den ganzen Tag wahnsinnig viel Gebrüll gab und quasi dauerhaft zwei 13-Kilo-Kinder auf meinen Arm wollten, nur um sich dort weiter zu prügeln.
Kleinkinder: vorprogrammiertes Chaos.Dann sitzen der Mann und ich hier und können eigentlich nur noch den Kopf schütteln. Dann fragen wir uns:
„Wann wird es endlich besser?!“
Weil wir nicht wissen, ob und wie man das Leben mit Kleinkindern in der Autonomiephase überhaupt überstehen kann. Oder das Leben mit Kindern generell. Und weil wir nicht fassen können, wie lange wir das jetzt eigentlich schon überstanden haben. Zumindest verhältnismäßig.
An solchen Tagen wird uns aber auch oft bewusst, wie viel öfter und geballter wir die gerne beschrieenen Phasen früher hatten. Da gehörte es zur Tagesordnung, dass ich völlig in den Seilen hing und mich wie eine Zombieversion meiner selbst durch den Tag schleppte. Mich wundert es bis heute, dass ich niemals von einem Spielplatz verjagt wurde, weil jemand dachte, ich sei eine verwahrloste Person, die Kinder belästigt. Mit Sandspielzeug und Dinkelstangen.
Insbesondere an diesen Tagen, an denen so richtig der Wurm drin ist, an denen mein Geduldsfaden genauso kurz ist wie die Zündschnur der Jungs, sie sich aber ihrer Bindung so unfassbar sicher sind, dass sie stimmungsmäßig so richtig die Axt kreisen lassen, an eben diesen Tagen wird mir bewusst, dass ich das in der Dosis schon gar nicht mehr so richtig gewohnt bin.
Hä?!
…Ihr müsst euch jetzt nicht vorstellen, dass unser Familienalltag dem Aufenthalt in einem buddhistischen Zen-Kloster gleicht und wir alle stets tiefentspannt sind. Aber wenn es nach wie vor einen Satz gibt, den ich noch schlimmer finde als jegliche Frage des Zwillings-Bullshitbingos, dann ist es dieser: „Es wird nicht besser, es wird nur anders.“
Diese Behauptung ist das rote Tuch für mein mütterliches Ego. Sie begegnet uns Eltern quasi ab dem Wochenbett an jeder Ecke – gerne in Situationen, in denen wir eh‘ schon stark mit dem Gedanken sympathisieren, den Rest unseres Daseins zusammengerollt im Schlafanzug auf dem vollgekrümelten Küchenfußboden zu verbringen.
Und vor allem kommt dieser Satz auch gerne mal ungefragt vorbei. Er rennt einem die Tür ein, ohne dass man ihn überhaupt darum gebeten hast, zu kommen – geschweige denn, dass er mal klingelt, klopft oder seine versifften Schuhe auszieht. Dann latscht er einem durch die ohnehin schon vernachlässigte Bude und verteilt seinen Dreck überall. Eben auch mental.
Sofort-Hilfe anstatt Plattitüden
Man selbst suhlt sich in solchen Lebenslagen ohnehin schon mit Essensresten in den Haaren und Schlafmangel im Kopf in Selbstmitleid – zu recht! Aber dann braucht man echt nicht noch solche Plattitüden. Dann braucht man jemanden, der einem den zerkauten Apfel vom Shirt pflückt, einen Kaffee kocht, in den Arm nimmt und sagt: „Du machst das super! Und es wird alles leichter, versprochen!“
Wenn du dich heute, morgen oder nächste Woche so fühlst, dann lass mich im Zweifelsfalle dieser
Wie wird es denn nun? Besser oder anders?jemand sein. Je nachdem, wo du lebst, koche ich dir auch einen Kaffee. Aber lass dir vor allem von mir sagen, dass du einen großartigen Job machst. Dass du jeden Tag dein Bestes gibst, um deine Sache gut zu machen.
Du gibst dir als Mama mehr Mühe als du es jemals in der Schule, in der Uni oder irgendeiner Arbeitsstelle getan hast. Du stehst rund um die Uhr zu Verfügung und bist stets in Rufbereitschaft. Du leistest Unglaubliches. Körperlich und seelisch. Und das Ganze ohne jemals dafür ausgebildet worden zu sein.
Und jetzt lass dir von mir noch etwas sagen (im Prinzip stehe ich jetzt vor dir, halte dich an den Schultern fest und schüttele dich ein bisschen – aber nur ein bisschen und ganz liebevoll):
Es wird leichter!
Es wird nicht jeden Tag leicht sein – das liegt allerdings nicht an deinen Kindern, sondern in der Natur des Lebens – doch es wird leichter. Deine Kinder lernen immer besser zu kommunizieren, ihre Gefühle und Bedürfnisse mitzuteilen und zu regulieren. Mit ihrer Körpergröße wächst ihr Wunsch nach Eigenständigkeit, denn du bezeichnest sie zwar als „deine“ Kinder, doch weiß jede von uns Mamas tief in sich drin ganz genau, dass dieses Possessivpronomen hier eigentlich nicht hingehört. Eigentlich gehören sie nämlich nur sich selbst. Und dem Leben.
Vielleicht neigen wir – und die Menschen, die den Roten-Tuch-Satz so gerne absondern – zuweilen dazu zu erwarten, dass es immer leicht sein soll. Oder zumindest nach dem ersten Jahr mit Zwillingen. Oder einem Baby. Mit dem ersten Geburtstag soll dann aber bitte spätestens durchgeschlafen werden, dann möchten wir unsere frühere Selbstbestimmtheit zurückhaben und wenn möglich auch bitte die Stärke des Bindegewebes.
Veränderungen wahrnehmen
Und im Zuge all der kleinen und großen Entwicklungen der Kinder, während der Alltag uns alle mit sich fortreißt, wir uns über Wutausbrüche im Treppenhaus oder hysterisches Geschrei aufgrund falsch durchgeschnittener Butterbrote ärgern, übersehen wir, dass es doch eigentlich irgendwie schon leichter geworden ist. Ich sitze längst nicht mehr den ganzen Tag nur auf dem Fußboden und balanciere zwei Babys auf meinen Beinen oder werde in jeder Nacht alle anderthalb Stunden geweckt. Solche Nächte gibt es immer mal wieder, aber in der Regel darf ich auch immer mal ein paar Stunden am Stück schlafen. Tendenz steigend.
Gute Aussichten. Auch für Zwillingseltern.Manchmal sitzen der Zwillingsvater und ich hier am Wochenende am Frühstückstisch, trinken in Ruhe unseren Kaffee und die Jungs spielen nebenan. Oder räumen das Bücherregal aus. Aber so lange ich heißen Kaffee trinken darf, schert mich das nicht.
Ich finde, wenn man nicht pauschal immer nur den Blick auf das große Chaos richtet, sondern mal richtig hinschaut, wenn man ehrlich mit sich und seinen Ansprüchen ist, dann entdeckt man mit der Zeit eben doch, dass es schon ein ganzes Stückchen leichter geworden ist.
Verunsicherung von außen
Lasst euch nicht verunsichern von dem, was andere sagen. Mein liebster Spruch dazu ist nach wie vor: „Was Paul über Peter sagt, sagt mehr über Paul als über Peter.“ Ich finde, das gilt auch hier. Denn was schwingt immer mit, wenn dienstältere Eltern gönnerhaft zur oben genannten Plattitüde greifen: Eine gewisse Herablassung. Ein „den Anderen kleiner reden“. Und sich selbst dadurch größer machen.
Ich möchte hier niemandem auf die Füße treten, aber sonderlich ermutigend ist der Spruch halt nicht. Und er ist auch einfach nicht wahr. Denn es wird besser. Und anders. Versprochen!
…na, zu wem zählt ihr? Team „Es wird besser“ oder Team „Es wird anders“? Hand auf’s Herz!
Der Beitrag Alltag mit Zwillingen – wann wird es endlich leichter?! erschien zuerst auf doppelkinder. |