Search

Home > NachDenkSeiten – Die kritische Website > Bundesregierung begrüßt EU-Sanktionierung des Schweizer Militäranalysten Jacques Baud
Podcast: NachDenkSeiten – Die kritische Website
Episode:

Bundesregierung begrüßt EU-Sanktionierung des Schweizer Militäranalysten Jacques Baud

Category: News & Politics
Duration: 00:11:51
Publish Date: 2025-12-19 10:00:54
Description:

Die Bundesregierung hat am 15. Dezember im Rat der Europäischen Union zugestimmt, den Schweizer Militäranalysten und mehrmaligen Sachbuchbestsellerautor in Deutschland, Jacques Baud, auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Als einzige Begründung wird ohne weitere Belege angeführt, er sei „regelmäßig Gast in prorussischen Fernseh- und Radioprogrammen“ und verbreite Theorien zur Entstehung des Ukrainekriegs, die die EU nicht teile. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob es tatsächlich der aktuellen Haltung der Bundesregierung entspricht, dass man renommierte Militäranalysten umfassend sanktioniert, nur weil man deren Analysen zum Ukrainekrieg inhaltlich nicht teilt. Zudem kam die Frage auf, ob die Bundesregierung die sehr fragwürdige Sanktionsbegründung vor Zustimmung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft hat. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Die EU, genauer der Rat der Europäischen Union, hat im neuesten 20. Sanktionspaket „restriktive Maßnahmen angesichts der destabilisierenden Aktivitäten Russlands“ auch Jacques Baud, den renommierten Schweizer Militär-Analysten, Bestseller-Autor und Oberst a.D. vollumfänglich sanktioniert: Einreiseverbot in den gesamten EU-Raum, keinerlei Finanztransfer innerhalb der EU mehr möglich. Damit sind auch alle geplanten Vortragsreisen von ihm in Deutschland untersagt. Als „Begründung“, die in keiner Form mit Quellen gestützt wird, werden ausschließlich Äußerungen bei TV-Auftritten in „prorussischen Programmen“ sowie die angebliche Verbreitung von „Verschwörungstheorien“ angeführt:

„Jacques Baud, ehemaliger Oberst der Schweizer Armee und strategischer Analyst, ist regelmäßig Gast in prorussischen Fernseh- und Radioprogrammen. Er fungiert als Sprachrohr für prorussische Propaganda und verbreitet Verschwörungstheorien, indem er beispielsweise die Ukraine bezichtigt, ihre eigene Invasion herbeigeführt zu haben, um der NATO beizutreten.

Daher ist Jacques Baud für Handlungen oder politische Maßnahmen, die der Regierung der Russischen Föderation zuzurechnen sind und die die Stabilität oder die Sicherheit in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen, durch die Beteiligung am Einsatz von Informationsmanipulation und Einflussnahme verantwortlich, setzt diese um oder unterstützt sie.“

Das war’s. Ohne Belege, ohne Prozess, ohne Anhörung verhängen die EU und die hinter ihr stehenden Mitgliedsstaaten erneut massive Sanktionen gegen eine Person und greifen damit massiv in deren Grundrechte ein – weil ihr die Fachmeinung und Analyse zum Krieg in der Ukraine nicht gefällig ist.

Zuvor hatte die EU im 19. Sanktionspaket, damals auf Initiative Deutschlands, drei deutsche Journalisten und Staatsbürger vollumfänglich sanktioniert. Hüseyin Doğru, Alina Lipp und Thomas Röper. (Die NachDenkSeiten hatten umfänglich z.B. hier, hier und hier darüber berichtet und es auf der BPK thematisiert).

Wie hanebüchen auch in diesen Fällen die „Begründung“ für die Sanktionierung ausfiel, haben wir unter anderem in dem Artikel „EU und Bundesregierung sanktionieren deutschen Journalisten wegen kritischen Tweets zu Kanzler Merz“ dargelegt.

Fachgutachten zu EU-Sanktionen gegen Einzelpersonen: „Nicht mit den Grundrechten vereinbar“

Das gesamte rechtliche Konstrukt, auf dessen Grundlage die Sanktionen vorgenommen werden, steht nach Einschätzung zahlreicher Rechtsexperten auf extrem wackeligen Beinen. So gab es beispielsweise am 11. November eine Anhörung im EU-Parlament zur rechtlichen Bewertung der EU-Sanktionierung von Journalisten. Laut der einhelligen Meinung der dort vortragenden Rechtswissenschaftler verstößt das aktuelle EU-Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher „Desinformation“ in zahlreichen Punkten gegen EU- und Völkerrecht. Die Maßnahmen seien rechtlich fehlerhaft, unverhältnismäßig und nicht mit den Grundrechten vereinbar. Grundlage für die Anhörung war ein 55 Seiten umfassendes Rechtsgutachten der Völkerrechtlerin Prof. Dr. Alina Miron von der Universität Angers und Prof. Dr. Ninon Colneric, Richterin a.D. am Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Die Rechtsgutachterinnen halten fest, dass das derzeitige EU-Sanktionsregime gegen Einzelpersonen wegen angeblicher Desinformation nicht mit den Anforderungen des Unionsrechts, der Grundrechtecharta und des Völkerrechts vereinbar ist. Es fehle an:

  • klarer rechtlicher Grundlage,
  • hinreichender Definition der Tatbestände,
  • fairen Verfahren,
  • verhältnismäßigen Maßnahmen und
  • wirksamem Rechtsschutz.

In Auftrag gegeben hatten das Rechtsgutachten zwei EU-Abgeordnete des BSW, Ruth Firmenich und der langjährige UN-Diplomat Michael von der Schulenburg. Die beiden BSW-Politiker gehörten auch zu den wenigen Stimmen aus dem EU-Parlament, die in einer Stellungnahme die Entscheidung, den in Belgien lebenden Baud zu sanktionieren, öffentlich kritisierten:

„Mit den nun beschlossenen Maßnahmen gegen Jacques Baud wegen angeblicher ‚Desinformationsaktivitäten‘ versucht die politische Elite der EU einen der renommiertesten Analysten des Ukrainekrieges zum Schweigen zu bringen. Die EU nutzt die Sanktionsliste als Instrument gegen Kritiker und manövriert sich immer weiter in einen Abgrund der Gesetzlosigkeit.“

Frankreich verantwortlich für Sanktionierung von Jacques Baud

Im aktuellen Fall der EU-Sanktionierung von Jacques Baud hat der französische Außenminister Jean-Noël Barrot am 15. Dezember offen erklärt, dass die Initiative dafür von Frankreich ausging:

„Auf französische Initiative hin verhängt Europa heute Sanktionen gegen Kreml-nahe Propagandaorgane und die Verantwortlichen für ausländische digitale Einmischung. Die Architekten des Chaos werden nicht länger ungestraft davonkommen.“

À l'initiative de la France, l'Europe prend aujourd'hui des sanctions contre les relais de la propagande du Kremlin et les artisans des ingérences numériques étrangères. Zéro impunité pour les ingénieurs du chaos. pic.twitter.com/mrEz3IIB29

— Jean-Noël Barrot (@jnbarrot) December 15, 2025

Interessant ist dabei die unterschiedliche Kommunikationsstrategie: Das Auswärtige Amt hat in der BPK bisher immer behauptet, nichts mit der EU-Listung deutscher Staatsbürger und Journalisten zu tun gehabt zu haben, dies hätte in der ausschließlichen Verantwortung des Rats der Europäischen Union gelegen, welcher das einstimmig entschieden habe. Die französische Regierung erklärt wiederum geradezu mit Stolz, dass die aktuelle EU-Sanktionierungswelle, die neben Baud, auch einen französischen, einen US-amerikanischen sowie mehrere russische und ukrainische Staatsbürger ins Visier genommen auf, auf deren Initiative erfolgte.

Die „Verschwörungstheorie“…

Doch ähnlich wie die deutsche Bundesregierung macht sich auch die französische Regierung nicht einmal ernsthafte Mühe, auch nur im Ansatz überzeugende Begründungen für die Sanktionierungen vorzunehmen. Das Vorgehen bei Baud ist dabei exemplarisch. Der einzige konkret gegen ihn formulierte Vorwurf in der Sanktionsverordnung lautet, Baud würde die Verschwörungstheorie verbreiten, die Ukraine habe ihre eigene Invasion provoziert, um der NATO beizutreten. Allerdings ist dies gar keine genuine Äußerung des Schweizer Militäranalysten, sondern er bezieht sich dabei auf die Aussage des ehemaligen Chefberaters für strategische Kommunikation im Bereich der nationalen Sicherheit von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Oleksij Arestowytsch. Dieser hatte im März 2009 in einem Interview mit der ukrainischen Nachrichten-Plattform Apostrophe erklärt, dass „mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent“ der Preis für einen NATO-Beitritt der Ukraine ein großer Krieg mit Russland sei:

The EU has imposed sanctions on Colonel (ret.) Jacques Baud from Swiss intelligence for spreading "Russian propaganda" and the EU justifies this with the claim by Baud of Ukraine "orchestrating its own invasion in order to join NATO". In reality, Baud's crime was to quote… pic.twitter.com/Dqsod7R94q

— Glenn Diesen (@Glenn_Diesen) December 16, 2025

Wir halten fest: Das Verweisen auf Aussagen von ehemaligen militärischen Chefberatern von Selenskyj gilt mittlerweile in der EU als Verbreitung von Verschwörungstheorien. Seien die Gaubs, Masallas, Kiesewetters und Majors bei ihren zukünftigen Auftritten bei Lanz & Co gewarnt. Denn der Sprecher des Auswärtigen Amtes ließ in der BPK keine Zweifel:

„Alle, die auf diesem Feld unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass es auch ihnen passieren kann.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 17. Dezember 2025

Frage Warweg
Herr Giese, Deutschland hat am 15. Dezember im Rat der Europäischen Union zugestimmt, den Schweizer Militäranalysten und mehrmaligen Sachbuchbestsellerautor in Deutschland Jacques Baud auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Als einzige Begründung wird ohne weitere Belege angeführt, er sei regelmäßig Gast im prorussischen Fernseh- und Radioprogramm und verbreite Theorien zur Entstehung des Ukrainekriegs, die die EU nicht teile. Da würde mich interessieren: Entspricht es tatsächlich der aktuellen Haltung der Bundesregierung, dass man renommierte Militäranalysten wie Baud umfassend sanktioniert und massiv in deren Grundrechte eingreift, nur weil man deren Analysen zum Ukrainekrieg inhaltlich nicht teilt?

Giese (AA)
Sie waren leider am vergangenen Freitag nicht da, da hatten wir das Thema, was passiert, wenn man Desinformation verbreitet, relativ ausführlich diskutiert. Da ging es um einen Attribuierungsfall. Ich will das jetzt gar nicht noch einmal aufmachen, aber da ist auch klar geworden, dass Menschen, die so etwas tun, sanktioniert werden können, wenn die rechtlichen Gründe dafür vorliegen und es eine entsprechende Entscheidung des Rats der Europäischen Union gibt. Das ist an diesem Montag geschehen, das wird auch weiterhin geschehen, das ist in der Vergangenheit geschehen, und alle, die auf diesem Feld unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass es auch ihnen passieren kann.

Zusatzfrage Warweg
Ja, der einzige konkrete Vorwurf in der Sanktionsverordnung lautet, Jacques Baud würde die Verschwörungstheorie verbreiten, die Ukraine habe ihre eigene Invasion provoziert, um der NATO beizutreten. Das ist allerdings keine genuine Äußerung von Baud, sondern er bezieht sich dabei auf die Aussage des ehemaligen Chefberaters von Selenskyj für strategische Kommunikation im Bereich der nationalen Sicherheit, Oleksij Arestowytsch, der 2009 in einem Interview erklärt hat, mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent sei der Preis für einen NATO-Beitritt der Ukraine ein großer Krieg mit Russland. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, ob der deutsche Vertreter bei der Abstimmung im Rat der Europäischen Union die vorgebrachten Sanktionsbegründungen auch tatsächlich vorher auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft hat oder das ohne jeden Fakten- und Quellencheck einfach abgenickt hat. Denn der zentrale Vorwurf stimmt so nicht.

Giese (AA)
Ich kann es mir jetzt sehr bequem machen und sagen: Das ist eine Entscheidung, die in Brüssel getroffen worden ist. Ich kann aber noch ein bisschen weitergehen und sagen: Ja, auch wir sind davon überzeugt. Deswegen war es eine einstimmige Entscheidung.

All diejenigen, die mit ihrer Sanktionierung nicht einverstanden sind, haben alle möglichen rechtlichen Mittel, dagegen vorzugehen. Die können den Rat anrufen und die können auch den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Zusatz Warweg
Mit gesperrten Konten, super.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 17.12.2025

Total Play: 0

Users also like

0 Episodes
KenFM.de - P .. 800+     50+
500+ Episodes
Interview de .. 200+     40+
2K+ Episodes
Deutschlandf .. 1K+     200+
1K+ Episodes
Eine Welt - .. 300+     40+
2K+ Episodes
Europa heute .. 100+     20+