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Podcast: NachDenkSeiten – Die kritische Website
Episode:

Wieso hat Innenminister Dobrindt Aufzeichnungen zu Treffen mit Verfassungsrichtern vernichtet?

Category: News & Politics
Duration: 00:07:05
Publish Date: 2025-12-09 10:00:02
Description:

Bereits vor einigen Wochen war das Abendessen vom Bundeskabinett mit den 16 Verfassungsrichtern hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt Thema auf der Bundespressekonferenz. Jetzt ist kürzlich durch eine Presseanfrage herausgekommen, dass Innenminister Alexander Dobrindt seine Aufzeichnungen von diesem Abend zum Thema „Wie zukunftsfähig ist das Grundgesetz?“ vernichtet hat. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, aus welchen Motiven er sich dieser Aufzeichnungen entledigt hat. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Am 9. Oktober informierte das Bundeskanzleramt in einer knappen Mitteilung über ein anstehendes gemeinsames Abendessen von Vertretern der Bundesregierung mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):

Am Donnerstagabend nehmen der Bundeskanzler und das Bundeskabinett an einem Abendessen mit den Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts im Bundeskanzleramt teil. Diese Treffen finden seit Jahrzehnten regelmäßig statt und sind ein traditionelles Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung zwischen zwei Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates.“

Was dabei konkret besprochen wurde, ist bis heute nicht bekannt. Dieser Vorgang ist keine Kleinigkeit. Mit dem Abendessen wurden die Grenzen der Gewaltenteilung zwischen zwei zentralen Verfassungsorganen, dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung, die in einem Rechtsstaat klar gezogen sein sollten, bewusst verwischt. Dies zudem zu einem hochsensiblen Zeitpunkt.

Denn die im Bundeskanzleramt mit Kanzler und Bundesministern dinierenden obersten Verfassungsrichter werden sehr wahrscheinlich in naher Zukunft Entscheidungen mit massiven Auswirkungen auf die aktuelle Bundesregierung fällen. Da wäre beispielsweise die anstehende Klage des BSW in Karlsruhe zur Neuauszählung der Bundestagswahl. Die Folgen einer Neuauszählung, die nach aktuellem Stand sehr wahrscheinlich das BSW in den Bundestag bringen würde, wären für die amtierende Bundesregierung und Kanzler Merz fatal: Die Koalition aus CDU und SPD hätte keine Mehrheit und der Kanzler keine Legitimation mehr.

Und ausgerechnet in so einem Moment trafen sich Verfassungsrichter und Bundesregierung zu einem Dinner hinter verschlossenen Türen, bei dem weder protokolliert noch sonst irgendwie das Gesprochene festgehalten wurde. Der Grad an Transparenz zu diesem Treffen zwischen Judi- und Exekutive beschränkt sich mehr oder weniger auf die Veröffentlichung des damaligen Menüs (gebratener Hirschkalbrücken zu geschmortem Sellerie und Feigentarte) sowie die Themen der das Treffen einleitenden Impulsreferate:

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Verfassungsrichter Henning Radtke hielten je einen Vortrag zu „Repräsentation und direkte Demokratie“ und Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sowie Richterin Christine Langenfeld referierten zu „Offene Verfassung und veränderte Weltordnung: Wie kann sich die Offenheit des Grundgesetzes gegenüber der internationalen Gemeinschaft und der europäischen Integration angesichts veränderter internationaler Rahmenbedingungen weiterhin bewähren?“.

Gericht und Innenministerium mauern …

Auf Anfrage der WELT erklärte die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts, dass die Impulsreferate der Richter nicht ausformuliert vorlägen – ebenso wenig gäbe es Notizen, die den tatsächlich vorgetragenen Inhalt wiedergeben würden.

Das Bundesinnenministerium (BMI) wiederum nahm zunächst die Haltung ein, dass die Rede von Dobrindt nicht öffentlich gewesen sei, daher könne auch das Manuskript nicht weitergegeben werden. Im weiteren Verlauf erklärte das BMI dann gegenüber WELT, dass Dobrindt für den Vortrag nicht wie sonst üblich einen Entwurf seiner Fachabteilung verwendet hätte, sondern in dem Fall die Rede „auf Basis eigener Notizen“ gehalten habe.

Weiter heißt es aus seinem Ministerium zu der Angelegenheit:

„Mithin liegt die tatsächlich gehaltene Rede im BMI nicht vor und ist dem Haus unbekannt. Seine eigenen Aufzeichnungen liegen nicht mehr vor.“

Abschließend erklärt die Pressestelle des BMI auf die Frage, ob Dobrindt damit gegen die Aufbewahrungspflichten für Minister verstoßen hat:

„Verwaltungsvorschriften, die einen Behördenleiter dazu verpflichten seine Äußerungen und Reden zu dokumentieren, gibt es in Deutschland nicht.“

Doch diese Darstellung ist umstritten. So führt beispielsweise der Archivrechtler Thomas Henne, der als Professor an der Archivschule Marburg lehrt, gegenüber der WELT aus, dass diese Behauptung des BMI so nicht stimme, und verweist in dem Zusammenhang auf die sogenannte „Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien“. Diese Richtlinie verlangt „die Schriftlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns“ – aus den Akten müsse sich folglich der vollständige Sach- und Bearbeitungszusammenhang ergeben. Abschließend erklärt der Jurist:

„Gemäß der Registraturrichtlinie ist der Minister verpflichtet, die Notizen zu seiner Rede zu den Akten zu geben. Nur die Übernahme der Notizen in die Akte führt zu dem nötigen transparenten, nachvollziehbaren Verwaltungshandeln.“

Doch auch wenn das Wegwerfen seiner Notizen den genannten Vorgaben widerspricht, hat Dobrindt formell nichts zu befürchten. Denn besagte „verpflichtende“ Richtlinie sieht keinerlei Sanktionsmöglichkeit gegen Minister bei entsprechenden Verstößen vor. Honi soit …

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 3. Dezember 2025

Frage Warweg
Wir hatten bereits vor einigen Wochen das Thema des illustren Abendessens des Bundeskabinetts mit den 16 Verfassungsrichtern hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt. Jetzt ist kürzlich herausgekommen, dass Innenminister Dobrindt seine Aufzeichnung von diesem Abend zum Thema „Wie zukunftsfähig ist das Grundgesetz?“ vernichtet hat. Da würde mich interessieren: Aus welchen Motiven hat sich der Innenminister denn dieser Aufzeichnungen entledigt?

Zanetti (BMI)
Ich weise erst einmal die Aussage, er habe sich irgendetwas entledigt, zurück. Zum Einzelfall kann ich jetzt hier keine Auskunft geben, würde aber gegebenenfalls etwas nachliefern.

Anmerkung der Redaktion: Eine Nachlieferung durch das BMI erfolgte bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 03.12.2025

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